Aufsätze und Materialien zum internen Gebrauch  in meinen Lehrveranstaltungen

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 zusammengestellt von Klaus Wolschner


Impresssum

Stichworte zur Bedeutung der Sozialistengesetze
für die Medien-Geschichte 1878-1890

 

Noch während der Beratungen des im Oktober 1878 beschlossenen „Gesetzes gegen die gemeingefährlichen Bestrebungen der  Sozialdemokratie" bemühten sich die Zeitungsherausgeber um einen Weg, dem drohenden Verbot ihres Blattes vorzubeugen. Im letzten Stück der Bremer Freien Zeitung vom 17. Oktober 1878 wurde die Verpachtung der Genossenschaftsdruckerei und damit die Einstellung des Blattes mitgeteilt. Die Pächter würden mit der Herausgabe der Bremischen Volkszeitung fortfahren, das sich „für die Interessen des arbeitenden Volkes" einsetzen sollte. Das Blatt brachte es auf eine Auflage von 1.500 Exemplaren, während des Freimarktes wurde es gratis verteilt. Da klar war, dass die Neugründung einen Ersatz für die Freie Zeitung darstellte, wurde sie am 25. Februar 1879 Opfer des Sozialistengesetzes.

Mit der Bremer Morgenzeitung wurde ein weiterer Versuch unternommen. Zum 1. März 1879 kündigten die Verleger Schaefer und Cassens in einer Auflage von 5.000 Exemplaren eine „politisch tendenziöse" Zeitung in „gemeinverständlicher, populärer Sprache" an. Noch vor der Auslieferung des ersten Stückes wurde das Blatt am frühen Morgen um fünf Uhr vor der Ausgabe konfisziert „und der Satz von Nachtwächtern nach dem Stadthause geschafft."

Am 13. März 1879 erschien zum zweiten Mal in der Hansestadt eine Zeitung unter dem Titel Bremer Tageblatt. ihre Redakteure, die jungen Dichter Julius Hart aus Münster und Peter Hille aus Höxter, dachten an einen Ersatz für die verbotene sozialdemokratische Presse, konnten mit ihrer gegen Bismarck gerichteten, eher freisinnig-liberalen Tendenz deren Leserschaft aber offenbar nicht ansprechen, so dass das Erscheinen bereits im November desselben Jahres eingestellt werden musste.

Nach 1848 hatten die deutschen Fürsten versucht, die Kontroll-Methoden des Vormärz wieder durchzusetzen (Stempelsteuer, Kautionszwang, Behinderung, Gefängnisstrafen; Rahmengesetzgebung des Deutschen Bunds bis 66). Allein im Jahr 1864 gab es in Berlin 175 Prozesse gegen die Presse. Bismarcks Plan, in Anlehnung an die französische Gesetzgebung unliebsame Zeitungen nach zweimaliger Verwarnung zu verbieten, war allerdings am Widerstand des Parlaments gescheitert.

Drei Jahre nach Gründung des Deutschen Reiches wurde 1874 das Reichspressegesetz beschlossen, es löste 27 Landespressegesetze ab. Die Beschlagnahmungen aus politischen Gründen wurde erheblich erschwert, der Vorwurf der Bismarck- und Majestätsbeleidigung blieb ein wichtiges Instrument der Zensur. Otto von Bismarck ging nicht nur durch Gerichtsverfahren gegen die Presse vor, sondern förderte loyale Medien aus seinem Reptilienfonds.

Auf § 30 (Notstandsbestimmungen) des Pressegesetzes stützte der Reichskanzler sein Vorgehen gegen die sozialdemokratische Presse nach Erlass der Sozialistengesetze (1878-1890).  42 sozialistische Tageszeitungen mit einer Gesamtauflage von 150.000 Exemplaren wurden verboten.

Fast zeitgleich mit der Entlassung Bismarcks im März 1890 wurde das Sozialistengesetz vom Reichstag nicht mehr erneuert.

 

Siehe auch zum Überblick

http://de.wikipedia.org/wiki/Sozialistengesetze