Aufsätze und Materialien zum internen Gebrauch  in meinen Lehrveranstaltungen

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 zusammengestellt von Klaus Wolschner


Impresssum

Der Zensor bei der Arbeit

Zensur ist immer von Übel, aber der schlimmste aller Fälle bestand für einen Zeitungsredakteur in der Vorzensur. Mit dem Druck konnte erst begonnen werden, wenn der Zensor seines Amtes gewaltet hatte. Natürlich ging das auf Kosten der Geschwindigkeit, mit der die Nachrichten zum Leser gelangten. Aktualität aber war im harten  Konkurrenzkampf, dem die Zeitungen ausgesetzt waren, ein wesentliches Qualitätskriterium.

Im Kampf um die möglichst schnelle Lieferung der neuesten Nachrichten hatten zeitweilig die Altonaer, Schiffbeker und Wandbeker Zeitungen gegenüber ihren Hamburger Konkurrentinnen den Vorteil der Befreiung von der so überaus lästigen Vorzensur. Mit verschiedenen Exemplaren des „Deutschen Beobachters" aus dem Jahre 1817 liegt einer der seltenen Fälle vor, dass sich Zensurexemplare erhalten haben, welche die Intentionen des Zensors dokumentieren. Es handelt sich um sogenannte „Bürstenabzüge" der zwar schon gesetzten, aber noch nicht gedruckten Exemplare. Zensor war der Hamburger Syndikus Jacob Albrecht von Sienen, der das zensurierte  Exemplar auf dein letzten Blatt auch unterzeichnet hat. Ihm ging es offenkundig vor allem darum, verbale Schärfen abzumildern, nicht aber um die grundsätzliche Unterdrückung missliebiger Meinungen.

Als Zensoren wirkten vielfach hoch gebildete Personen» die ihr Amt keinesfalls lustvoll ausübten. Dass vielen von ihnen das Eingreifen in Gedanken anderer zuwider war und nur als lästige Dienstpflicht empfunden wurde, ist wiederholt bezeugt, so etwa von Wilhelm von Humboldt oder Wilhelm Grimm, die gegen ihren Wunsch zeitweilig  zu Zensoren ernannt worden waren.  (Ausstellungstext, Böning)